Über Brenda Little
Die Autorin Brenda Little wurde 1916 in England geboren und starb 2003 in Australien.
Sie begann ihre Karriere als Autorin humorvoller Artikel für die englische Zeitschrift Punch, und ihr Humor zeigt sich auch in dem Roman „Knowing Sophie“ bei dem eigentlich ernsten Thema Suizid.
In Australien schrieb Brenda Little dann später für Zeitschriften wie »Vogue«, »Living« und »Australian«, und als sie sich einen Fuß gebrochen hatte und deshalb weniger mobil war, entstand ihr erster Roman, anschließend kamen drei weitere Bücher dazu.
Brenda Little führte außerdem ein Antiquitätengeschäft und einen Bioladen, sie war verheiratet und hatte zwei Söhne.
Durch Recherchen habe ich herausgefunden, dass Brenda Little bis ins hohe Alter ein interessanter, unkonventioneller Mensch gewesen sein muss.
Die Übersetzung
Als ich das Buch ursprünglich für einen deutschen Verlag übersetzt habe, hatte ich E-Mail-Kontakt mit Brenda Little und habe mich sehr darüber gefreut, dass sie meine Fragen zum Roman bereitwillig beantwortet hat.
Wer denkt, dass der Kontakt zwischen Autoren und Übersetzern doch eine Selbstverständlichkeit ist, der irrt sich. Einige Autoren haben kein Interesse daran, mit ihren Übersetzern zu kommunizieren – vielleicht ist manchen nicht klar, wie wichtig dieser Kontakt für die Qualität der Übersetzung sein kann.
Mit der Übersetzung des Romans habe ich übrigens im Jahr 2000 begonnen, als ich noch in Deutschland gelebt habe, und als ich 2001 nach London umgezogen war, habe ich die Arbeit in England beendet. Ich wusste von Anfang an, dass ich in London nicht mehr als Literaturübersetzerin für deutsche Verlage arbeiten konnte, und das nicht etwa wegen der Entfernung, denn mittlerweile läuft ja sowieso fast alles übers Internet, sondern weil die Arbeit zu schlecht bezahlt wird. Es war in Deutschland schon schwierig für mich, davon zu leben, aber in einer teuren Stadt wie London ist es unmöglich.
Erst nachdem ich Self-Publishing entdeckt hatte, habe ich mich wieder mit dem Übersetzen von Büchern und auch mit „Knowing Sophie – die Unbekannte“ beschäftigt.
Vom Übersetzen zum Self-Publishing
In letzter Zeit hört man ja öfter etwas über das Thema Self-Publishing, das heißt, immer mehr Bücher werden ohne Verlag herausgegeben. Vor einigen Jahren habe ich mich selbst zum ersten Mal für das Thema interessiert, und inzwischen konnte ich viel darüber lernen.
Irgendwann bin ich zu dem Schluss gekommen, wenn Verlagsautoren ihr Copyright für vergriffene Bücher zurückholen und sie selbst neu herausgeben können, dann müsste das auch für Übersetzer möglich sein. Es hat lange gedauert, bis ich alle rechtlichen Fragen klären konnte, aber letztendlich hat es tatsächlich geklappt, und das Ergebnis ist die Neuauflage von „Knowing Sophie – die Unbekannte“.
Das Frauen- und Männerbild im Roman
Achtung Spoiler: Bitte hier jetzt nicht weiterlesen, wenn der Romaninhalt noch nicht verraten werden soll:
Nun möchte ich noch etwas zum Inhalt des Buches schreiben, denn die Welt ist seit der Veröffentlichung des Originals von „Knowing Sophie“ im Jahr 2000 nicht stehengeblieben, und die Leserinnen und Leser werden das Frauen- und Männerbild umso veralteter finden, je emanzipierter sie selbst sind.
Hierzu möchte ich als Erstes eine objektive Tatsache nennen: Verschiedene Charaktere amüsieren sich im Roman darüber, dass die ehemalige Theaterschauspielerin Nell mit ihrem früheren Nachnamen „Martin“ angesprochen werden will, obwohl sie nach ihrer Eheschließung von Gesetz wegen „Knickerbocker“ hieß und nun eigentlich den Namen ihres Mannes tragen musste. Heute sind allerdings Frauen in vielen Ländern, zum Beispiel auch in Australien und Deutschland, nicht mehr gesetzlich dazu verpflichtet, ihren bisherigen Nachnamen mit der Eheschließung aufzugeben.
Außerdem würden heute vermutlich nur noch die wenigsten Frauen die Aussage von Henry akzeptieren, dass sein Stiefsohn David bestimmt nicht anders konnte, als seine Frau mit deren bester Freundin Caroline zu betrügen, weil die so schön und verführerisch war, das musste dann garantiert Carolines Schuld gewesen sein und Sophie, die sich das Leben nahm, hätte das nicht tun müssen, denn sie hätte es verstehen müssen.
Darüber hinaus finde ich am Verhalten von Henry für heutige Verhältnisse mehr als grenzwertig, wenn er die Oberweite von Krankenschwestern kommentiert oder die Hand der viel jüngeren Kate tätschelt und ihr dabei tief in die Auge sieht. Apropos Kate: Hätte ihr nach dem Tod ihres Mannes und dem Hausbrand wirklich, wie hier im Buch beschrieben, nichts Besseres passieren als Henry zu pflegen? Mir persönlich würden jedenfalls für mein Empfinden angenehmere Lösungen für sie einfallen.
Im Roman gibt es zwei Möglichkeiten für Frauen: Entweder sie sind der fürsorglichen Typ, verkörpert durch Kate und Nin, oder die anmaßende, schwierige Diva, hier in Gestalt von Nell und Caroline, für die es nichts Wichtigeres als ihre vergängliche Schönheit gibt. Besonders krass finde ich, dass Nell und Caroline, wie Henry es ausdrückt, letztendlich im Hintergrund „von ihren Männern im Zaum gehalten werden.“
Man kann sich natürlich fragen, ob die Autorin nicht selbst die Absicht hatte, zumindest einen Teil der Charaktere extrem überzogen darzustellen, um ihr Verhalten dadurch humorvoll ins Absurde zu treiben, und ich halte das tatsächlich für wahrscheinlich, allerdings kann ich sie dazu leider nicht mehr befragen, weil sie ja inzwischen leider verstorben ist.
Last but not least ist da noch die Hauptperson Sophie: Sie hatte auf typisch weibliche Weise ihre eigenen Bedürfnisse zurückgestellt und sich selbst für andere aufgeopfert, was dann in einer Katastrophe, sprich in ihrem Selbstmord endete. Selbst Sophies Hinterbliebene kommen letztlich zu dem Schluss, dass sie mehr hätte fordern sollen. Es hat ganz den Anschein, als ob sie hier ihre traditionell fürsorgliche weibliche Rolle zu sehr ins Extreme getrieben hatte.
Wenn es um Emanzipation geht, dann haben aber meiner Meinung nach in der Realität vor allem Männer Nachholbedarf, und das in ihrem eigenen Interesse, denn ihre traditionell starke Rolle hat eine dunkle Kehrseite.
Im wahren Leben besonders hohe Suizidraten bei Männern
Hierzu wieder eine Aussage von Henry: Er lobt seinen Stiefsohn David dafür, „dass er nie Schwäche zeigte“. Aber was kann einem Menschen, egal ob Mann oder Frau, Schlimmeres passieren, als wenn sich der Ehepartner das Leben nimmt? Ich bin mir sicher, dass es jemandem wie David gutgetan hätte, nicht immer nur stark sein zu wollen. Wir wissen ja aus der Psychologie, dass es für niemanden in Extremsituationen von Vorteil ist, sich ständig zusammenzureißen, deshalb habe ich Zweifel daran, ob es wirklich funktionieren würde, wenn sich David, wie hier im Buch beschrieben, irgendwann im Meer treiben lässt und Sophie dabei, wie er sagt, endgültig loslässt. Ich gehe vielmehr davon aus, dass er möglicherweise später doch noch irgendwann zusammenbricht.
Die Suizidzahlen sprechen für sich: Weltweit nehmen sich nach wie vor etwa dreimal so viele Männer wie Frauen das Leben, obwohl laut Statistik sehr viel mehr Frauen als Männer depressiv werden, aber Frauen holen sich offenbar eher Hilfe, weil es für sie gesellschaftlich immer noch akzeptierter ist als für Männer, auch mal Schwäche zu zeigen.
Natürlich können die Gründe dafür, weshalb sich jemand das Leben nimmt, vielfältig und komplex sein, aber die hier genannte Rollenproblematik ist definitiv keine Seltenheit.
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Das war’s an dieser Selle von mir, der Übersetzerin.
Wer gerne selbst Bücher auf der ganzen Welt ohne Verlag herausgeben möchte – übersetzt und/oder im Original – findet dazu weitere Infos auf meinem englischsprachigen Blog InternationalSelfPublishing.
Außerdem schreibe ich hier auf meinem deutschsprachigen Blog über meine Wahlheimat: LondonUndMehr.
Vielen Dank für Ihr Interesse!